Wie anthroposophisch ist die GLS Bank?

Lesen Sie hier vorab Ausschnitte aus dem Interview und den kompletten Text in der Juni-Ausgabe des Info3 Magazins.

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GLS-Vorstand Thomas Jorberg / Foto: Jens Heisterkamp

 

Herr Jorberg, die GLS Bank ist derzeit ein überaus erfolgreiches Geldinstitut mit beachtlichem Wachstumspotenzial. Die Frage, mit der wir hergekommen sind, lautet: Hat die GLS Bank ihre anthroposophischen Wurzeln inzwischen hinter sich gelassen?

Wenn heute viele Menschen neu zu uns hinzukommen, die nicht aus der Anthroposophie und ihrem Umfeld stammen, ist für mich die Frage: Haben die nun die Anthroposophie hinter sich oder vor sich? Für mich ist die Antwort, sie haben sie eher vor sich. Ich liebe zum Beispiel die Einführungsveranstaltungen für unsere neuen, jungen Mitarbeiter, die zu uns kommen. Denn da taucht regelmäßig die Frage auf, wie unsere Qualität mit dem Wachstum Schritt halten kann. Und meine Antwort ist dann: „Solange Sie diese Frage aufrecht erhalten, ist das Problem zwar noch nicht gelöst, aber die Frage ist die Voraussetzung für eine Lösung.“ Werte liegen in Menschen, nicht in irgendwelchen Systemen.

Wie sieht es denn mit dem Thema Wachstum in Ihrem Hause aus – ist das eine Frage oder schon eine Selbstverständlichkeit?

Das ist eher eine Selbstverständlichkeit. Auf der zurückliegenden Jahrestagung der Global Alliance for Banking on Values in Berlin (Info3 berichtete) kam in einem Arbeitskreis sogar die Frage auf, warum wir so langsam wachsen. Denn das Potenzial für eine Bank wie die GLS Bank ist derzeit viel größer. Das Bedürfnis in der Gesellschaft nach einer anderen Bank ist viel stärker, als wir es, inklusive der anderen alternativen Banken, im Moment bedienen.

In Kreisen, wo heute über alternative Wirtschaftsansätze nachgedacht wird, sieht man Wachstum auch durchaus kritisch. Der Volkswirtschaftler Niko Paech etwa hat den Begriff Post-Wachstums-Ökonomie geprägt, um dem Kreislauf des Immer-Mehr und Immer-Weiter zu entgehen (siehe den Artikel von Michael Opielka im gleichen Heft). Bringt für Sie als „grünes“ Unternehmen das Wachsen auch Gefahren mit sich?

Die Frage, ob man die Qualität im Wachstum verliert, ist eine sehr reale Gefahr. Aber das Wachstum an sich – da finde ich, wenn wir über Geld reden, reden wir immer zu viel über Geld. Die eigentliche Frage ist doch, wovon brauchen wir mehr und wovon brauchen wir weniger.

Und wovon brauchen wir in Ihren Augen mehr? Wofür wollen Sie Ihren wachsenden Einfluss nutzen?

Es wird gesagt: Die GLS Bank profitiert von der Ökologie- und Nachhaltigkeitsbewegung und der derzeitigen Finanzkrise. Aber für uns macht das erst einmal mehr Arbeit! Die entscheidende Frage ist für mich: Haben unsere Kunden etwas davon, dass wir da sind? Werden wir den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht? Denn ohne die Bedürfnisse der Kunden kommt es nirgendwo zu Wachstum. Im Bankensektor war bisher das am meisten verbreitete Bedürfnis das nach einer möglichst hohen Rendite ohne Risiko. Aber es gibt auch zunehmend andere Bedürfnisse: Soziale, geistige, ökologische Bedürfnisse von Menschen, die diese so verbinden wollen, dass Geld das Mittel dazu wird. Und dass immer mehr Menschen genau das mit ihrem Geld wollen, ist eine Bewusstseinsleistung. Nicht wir als Bank wollen das erreichen, sondern wir wollen unsere Dienstleistung so erbringen, dass unsere Kunden ihre Bewusstseinsleistung umsetzen können. Unsere Herausforderung liegt darin zu zeigen, dass man so etwas nicht nur in einer kleinen Bank machen kann, wo jeder jeden kennt.

Welche Größenordnung schwebt Ihnen dabei vor?

Es geht dabei nicht um ein zu erreichendes Ziel, sondern um eine Abschätzung: Wenn sich der Bewusstseinswandel in der Bevölkerung weiter so fortsetzt – und wir keine Fehler machen –, dann ist es wahrscheinlich, dass wir auch in den nächsten Jahren um jeweils etwa 20 Prozent wachsen. Die Frage ist: Wie können wir das möglich machen, ohne es betriebswirtschaftlich notwendig zu machen? Das ist die Gratwanderung.

Das würde dann bedeuten, dass Sie in fünf Jahren rund 700.000 Kunden hätten und auf eine Million zusteuern würden. Schon jetzt wirbt die GLS Bank deutschlandweit auf Bahnhöfen mit Plakatwerbung …

… gerade bei dieser Bahnhofswerbung war es so, dass die schon bestehenden Kunden sich stolz gezeigt haben, dass „ihre“ GLS Bank sich so präsentiert. Insofern besteht die beste Werbung in unseren zufriedenen Kunden selbst, denn zu 40 Prozent kommen unsere Neukunden durch Weiterempfehlung.

Sie selbst haben einen anthroposophischen Hintergrund – für Sie muss es eine große Chance bedeuten, mit einem Instrument wie der GLS Bank gesellschaftlich etwas bewirken zu können. Haben Sie dabei auch ganz persönlich eine Vision?

Die Voraussetzung dafür, gesellschaftlich etwas zu verändern, liegt darin, dass in der Gesellschaft selbst eine Veränderungsmöglichkeit vorliegt. Das kann man nicht einfach machen. Auch unser starker Kundenzuwachs zeigt, dass die Gesellschaft reif ist für Veränderungen. Während man uns als Bank früher eher belächelt hat, hören wir jetzt auch in Kollegenkreisen der großen Banken mehr die Einschätzung, dass unsere Bemühungen in die richtige Richtung gehen – nur denkt man noch nicht daran, so etwas auch in großen Geldinstituten umzusetzen. Trotzdem ist das für mich ein Indiz dafür, dass ein Wandel aus Bewusstsein möglich ist. Die GLS Bank und ähnliche Einrichtungen sind Positiv-Bilder für das, wo wir hinwollen – ganz im Sinne des GLS-Gründers Wilhelm-Ernst Barkhoff, der gesagt hat: Die Angst vor einer Zukunft, die wir fürchten, können wir nur durch Bilder einer Zukunft überwinden, die wir wollen. Das ist ein großes Motiv für mich.

Interview: Jens Heisterkamp und Ramon Brüll

Lesen Sie das komplette Interview in der Juni-Ausgabe von Info3 – Anthroposophie im Dialog. Kostenloses Probeheft hier.