Aufklärung, lebendiges Denken und Spiritualität

Das Denken wird in spirituellen Kreisen oft kritisch gesehen (begrenzt auf den mind”, Verstand etc.) Es ist aber wesentlicher Teil einer aufgeklärten und reflektierten Spiritualität. Denkend bestimmen wir – mehr oder weniger achtsam – den überwiegenden Teil unseres Bewusstseins. Darüber hinaus zeigt eine nähere Betrachtung, dass im Denken ein zentraler Zugang zur Verbundenheit und All-Einheit liegt und dass hier eine überraschende Quelle transparenter spiritueller Erfahrung freigelegt werden kann.

Von Jens Heisterkamp

„Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.“ – Buddha

Der weitaus größte Teil unseres Lebens ist von Vorgängen des Denkens begleitet. Angefangen von längerfristigen Zielen, die wir uns vornehmen, bis hin zu kleinsten Alltags-Orientierungen (das Mittagessen um eins, eine Verabredung um halb sechs) ist unsere Existenz von Gedanken geführt. Für längerfristige Lebenseinstellungen und Werte gilt das erst recht. Vorstellungen und Ideen, mehr oder minder als solche bewusst, gedankliche Verknüpfungen oder Zukunftsvorstellungen leiten und begleiten fast alles, was wir tun. Sie bestimmen unser inneres Leben ebenso wie unser nach außen tretendes Verhalten.

In spirituellen Zusammenhängen wird das Denken nicht selten grundsätzlich kritisch gesehen – kann sich seine alles strukturierende Kraft doch allzuleicht auch in seinen Schattenseiten von Schematismus, Festhalten an Konzepten oder Erstarrung verlieren. Andere innere Qualitäten wie das Fühlen, das Erleben oder auch nur das bloße Wahrnehmen werden dagegen eher mit wünschenswerten Zielen wie Verbundenheit, Lebendigkeit und Ganzheit in Beziehung gebracht als das Denken. Ganz unzweifelhaft wissen wir alle, wie sich das Denken dazu einsetzen lässt, bestehende Positionen und Meinungen zu vertreten oder durch kalte Analyse die Phantasie oder spontane Kreativität zu verdrängen. Denken scheint, mit einem Wort, eher den Modus des Getrennt-Seins zu unterstützen. Es steht außerdem im Verdacht, das Instrument für eine lediglich subjektive, innere Vorstellungswelt zu sein, die uns von der wahren Wirklichkeit abhält. Solche Positionen werden heute auch von Seiten der Neurologie unterstützt, die von einer im Subjekt entworfenen Scheinwelt ausgeht und dieses Subjekt gleich mit zum Konstrukt („Ego-Tunnel“) erklärt. Alte fernöstliche und postmoderne Positionen treffen sich in der Neigung, im Denken lediglich ein subjektives Konzept zu sehen, dem keine Wirklichkeit zukommt und das man am besten ganz fallen lässt.

Was wir als instrumentelle und quasi-mechanische Rationalität kennen, bildet jedoch bei weitem nicht das ganze Spektrum dessen, was Denken ausmacht. So wird in der Philosophie und Anthropologie die Fähigkeit zu Denken vielfach als Charakteristikum gesehen, das den Menschen zum Menschen macht und ihn vom Tier unterscheidet. Auch in vielen spirituellen Traditionen war immer schon und ist immer noch ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass das Denken auf dem Weg zu unserem wahren Menschsein nicht ausgeklammert werden darf, dass ihm vielmehr sogar eine Schlüsselposition auf diesem Weg zukommt. Das Bemühen, nicht von Gedanken getrieben zu werden, sich Rechenschaft zu geben, warum ich bestimmten Gedanken folge, der Anspruch, soweit als möglich selbst zu überschauen, was Inhalt unseres Bewusstseins wird und warum, kennzeichnet jede um Achtsamkeit bemühte Lebensweise. „Achte auf Deine Gedanken, denn aus ihnen werden Gewohnheiten“, weiß das Judentum; Im Buddhismus bildet der Wille zur Selbst-Distanzierung gegenüber dem uns antreibenden Gedankenstrom und die Aufforderung zum „rechten Vorstellen“ einen festen Baustein des achtfachen Pfads. In der Anthroposophie Steiners spielt das Denken sogar für das meditative Leben eine zentrale Rolle – doch davon später.

Denken, Vernunft und Universalität

Wenn Aristoteles den Menschen als „animal rationale“ bezeichnete, dann verbinden wir auch heute noch damit die Fähigkeit, uns nicht nur von kurzfristigen Antrieben bestimmen zulassen, sondern uns nach Maßgabe der Vernunft zu verhalten. Damit meinen wir immer auch das Vermögen, zu uns selbst und zu jeweiligen Situationen einen Abstand einnehmen zu können. Durch vernünftiges Denken haben wir die Möglichkeit, eine Frage oder ein Problem nicht allein nach unserem subjektiven Dafürhalten und spontanen Eindruck zu beurteilen, sondern in einer Weise, die auch andere, umfassendere Perspektiven berücksichtigen kann.

In der Epoche der Aufklärung war es die Entdeckung der Rolle des vernunftgeleiteten Denkens, das durch seine Universalität als zentraler und verbindender Bezugspunkt für die Gestaltung aller Lebensbereiche freigelegt werden konnte: was unter Menschen als wahr und richtig gelten kann und soll – ob intellektuell, moralisch oder gesellschaftlich – ist seither nicht länger eine Frage von äußerer Macht oder gesellschaftlich vorgegebenen Normen; damit etwas Gültigkeit beanspruchen kann genügt es nicht, dass es “immer so” gemacht wurde oder dass die Mächtigen dieser Welt dies so festlegen, nein: alles, was Geltung beansprucht, muss sich an für alle Menschen geltenden und nachvollziehbaren Gründen messen. Dass es solche allgemein gültigen, für jeden Menschen nachvollziehbare und einsichtige Gründe gibt, die sich aus dem vernunftgeleiteten Denken ergeben, wurde zum Ethos eines ganzen Zeitalters.

Denken und Über-Subjektivität

Wegen seines universellen Charakters trägt das Denken das Potenzial in sich, von den Begrenzungen der eigenen Befindlichkeit loskommen zu können. Von einem Gedanken, einer Idee erfüllt zu sein bedeutet, einen allgemein gültigen, über meine jeweilige subjektive Befindlichkeit hinausreichenden Inhalt einzusehen. In einer verfahrenen Situation, wo ich nur noch auf meine Grenzen zurückgeworfen scheine, kann ein einziger “rettender Gedanke” Befreiung bringen. Einsehen heißt in diesem Sinne gerade das: Mich verbinden können, ja für Momente sogar eins werden mit einem anderen, einem Verstehen, einem Sinn, der mir ohne diesen Gedanken – als bloßes Subjekt – fehlen würde.

Denken ermöglicht es, die Perspektive zu wechseln, hinein in das Andere oder auch in den oder die Andere. Der anthroposophisch orientierte Philosoph Witzenmann hat das Phänomen beschrieben, dass wir in Momenten hoher Selbstlosigkeit in der Lage sind, uns für Augenblicke selbst zu vergessen und vollständig die Gedanken eines anderen mitzuvollziehen und dabei auch die Eigenart des oder der Denkenden mitzuerleben. Für diese außergewöhnliche Erfahrung auf Grundlage des Denken prägte er den Begriff des “Wesenstausches”. Sicher gelingt das nicht immer restlos und begleitet uns auch im Denken noch die Grundierung unserer jeweiligen Subjektivität. Das ist auch gut so: Denn wir geben dadurch allgemeinen Ideen und Begriffen einen neuen Geschmack, eine je eigene Weise, wir reichern sie durch Erfahrung an und erweitern damit auch ihre Fülle. Jede(r) von uns hat eine etwas unterschiedliche Vorstellung, wenn wir Begriffe wie “Sommer”, “Verbindlichkeit” oder “Zuneigung” denken; wir merken das spätestens dann, wenn wir uns über unsere Vorstellungen austauschen. Die Tatsache aber, dass wir uns überhaupt über das Verschiedene verständigen können und wissen, dass wir „dasselbe“ meinen, zeigt gleichzeitig, dass wir uns dabei auf einen gemeinsamen Bezugspunkt – den für alle gleichen Begriff – beziehen, der selbst gar nicht auf eine einzelne Vorstellung festlegbar ist.

Das Nachdenken über die Frage, wie das Denken diese Verbindung “unter uns schafft”, führt zu einem zentral wichtigen Qualitätsmerkmal des Denkens: Seine Universalität, seine Allgemeingültigkeit ist nicht von anderem ableitbar, sondern beruht in sich selbst. Wohin wir auch sonst schauen: Die Natur, die menschlichen Beziehungen, das menschliche Innere – immer begegnen wir Phänomenen, die durch sich selbst nicht verständlich sind, sondern nach Erklärung rufen – eben durch das Denken. Beim Denken selbst aber brauchen und können wir nicht auf anderes zurückgreifen als auf das Denken. Auch der oft unternommene Versuch, das Denken durch anderes zu erklären: durch biologisch-evolutionäre Vorgänge, durch sozialkulturelle oder neurologische Prozesse – immer wird bei solchen Erklärungen schon Denken (man denke nur an so grundlegende begriffliche Verknüpfungen wie das Verhältnis von Ursache und Wirkung) vorausgesetzt, wenden wir die – immer schon vorgängigen – Grundverbindungen des Denkens, des Begründens und logischen Verknüpfens an, die schon in den allerersten Fragen auftaucht, die wir stellen: Warum? Woher? Wie? Das Denken „“umgibt“ uns immer schon, es bildet eine Sphäre, die umfassender ist als die Summer der Subjektivitäten.

Die Neigung, das Denken unserer Subjektivität zuzuschreiben, entspricht der unleugbaren Tatsache, dass wir es immer selbst sind, die denken. Denken ist immer unsere Tätigkeit. Die Einsicht, dass dies nicht bedeutet, dass die Inhalte des Denkens selbst subjektiv bzw. rein konzeptuell wären, widerspricht dem aber nicht. Es ist einfach nicht möglich, die Selbstbegründung des Denkens zu hintergehen. Das bedeutet freilich nicht, dass wir dieser Selbstbestimmung des Denkens gegenüber nicht frei wären – wir können Zusammenhänge auch übersehen oder ignorieren, sie da ziehen, wo sie sich später nicht als passend erweisen – wir können irren. Aber auch den Irrtum durchschauen wir wiederum von der über-subjektiven Perspektive des Denkens her.

Am deutlichsten zeigt sich die hier gemeinte Selbst-Bestimmtheit der Denkzusammenhänge in der Logik. Logische Verknüpfungen erfahren wir als einen in sich selbst bestehenden und durch nichts anderes begründbaren Zusammenhang. Dieser Charakter des Selbst-Zusammenhangs und der Selbst-Erklärung der Begriffe durch einander bestimmt aber jede Form des Denkens und des denkenden Fragens und Forschens.

Lebendiges Denken”

Das Phänomen, dass sich alle Begriffe durch einander erklären und so einen in sich verflochtenen, alles umfassenden Zusammenhang bilden, lässt uns das Denken auch als ein quasi-organisches Phänomen verstehen: Denn bei einem Organismus handelt es sich um ein System, bei dem alle Teile desselben durch einander bestehen, sich gegenseitig tragen und bedingen. Was könnte somit “lebendiges Denken” bedeuten?

• Lebendiges Denken meint zunächst ein Denken, dass die naive Nicht-Beachtung des Denkens bei allen Vollzügen unseres Bewusstsein überwindet und sich der All-Gegenwärtigkeit des Denkens überhaupt bewusst wird.

• Lebendiges Denken meint weiterhin, sich der Subjekt-übergreifenden Qualität des Denkens beim Denken bewusst zu sein: nicht ich denke die Gedanken, sondern ich bewege mich denkend in einem in sich selbst begründeten (organischen) Netz des Denkens; nicht wir haben das Denken, das Denken hat uns.

• Lebendiges, sich des organischen Charakters von Denken bewusstes Denken ist eben dadurch auch eine fundamentale Erfahrung von Nicht-Getrenntheit, sowohl gegenüber den Dingen als auch im Blick auf ein von uns allen geteiltes, denkend gefülltes Bewusstsein.

Spirituelle Erfahrung

Viele Aussagen im Verlauf der bisherigen Betrachtungen zeigen bereits, dass bei der Auseinandersetzung mit dem Denken etwas möglich ist, was sonst nicht funktioniert: dasjenige, was wir befragen und dasjenige, womit wir es befragen, sind ein und dasselbe. Beim Denken des Denkens kann es, wenn die Gefahr eines bloßen Spekulierens und rationalen Ableitens vermieden wird, zu einer Überwindung der sonst immer bestehenden Trennung von Subjekt und Objekt kommen: Im Denken des Denkens werden Subjekt und Objekt eines.

Was so zunächst als Beobachtungs-Tatsache festgestellt werden kann, lässt sich aber auch als innere Erfahrung – geradezu meditativ – ausdehnen. Eine Form um zu charakterisieren, was spirituelle Erfahrung bedeutet, liegt bekanntlich in der Möglichkeit, dass sich Bewusstsein als Bewusstsein selbst erfasst. Die Fähigkeit, Bewusstsein abgesehen von bestimmten Inhalten, ja unter Ausschluss von Inhalten, als solches zu erfahren, ist eine Schlüsselerfahrung aller Spiritualität. Der dann eintretende Zustand wird auch jener der Leere genannt, weil nichts als (reines) Bewusstsein wahrgenommen wird. Dieser Zustand wird normalerweise gerade unter Ausschaltung jeden Denkens möglich. Es ist aber auch der genau umgekehrte Ansatz möglich und die Befangenheit des Verstandes-Denkens sozusagen von innen heraus zu durchbrechen: Nämlich so intensiv in den Vollzug des Denkens hineinzugehen, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf den jeweiligen Inhalt fixiert ist, sondern zur Erfahrung des Sich-Selbst-Tragenden, der inhaltsleeren, reinen Bewusstheit durchstößt, die im tätigen (Mit-)Vollziehen des Denkens entsteht.

Anknüpfend an grundlegende Überlegungen der idealistischen Philosophie z.B. Hegels hat Steiner genau diesen Weg beschrieben und regelrechte Meditationshinweise zu gegeben, “Denk-Formeln”, bei denen es nicht auf den Inhalt ankommt, sondern auf den Vollzug, der “ins Leere” führt – oder auch in die “lebendige Fülle” des sich-selbst-tragenden Denkens, ganz wie man will. In seinem Buch Die“Philosophie der Freiheit” finden sich manche Passagen, die in diesem Sinne auf eine Allheits-Erfahrung im Denken und hinter dem Denken hinauslaufen. In einem späteren Werk von ihm findet sich die Formel: „“Ich empfinde mich denkend eins mit dem Strom des Weltgeschehens”.“ Vertieft man sich in diese Formel, kann das Ruhen in diesem Inhalt mit dem schöpferischen Hervorbringen seiner Realität eins werden.

Von Ken Wilber kennen wir Beschreibungen eines Bewusstseinszustandes, in welchem wir nicht aus der Perspektive unseres Ich-zentrierten auf außer uns befindliche Objekte blicken, sondern wo wir uns in einem umfassenden Aufmerksamkeits-Raum befinden, in dem wir uns sämtlicher uns umgebender Phänomene – der Raum, Gegenstände, Dinge – aber auch sogenannter innerer Phänomene – Gefühle, Empfindungen, Gedanken – einfach nur gewahr sind. Wir wissen zwar, dass der Kontakt zu unserem Subjekt-Sein auch bei dieser Form gewahrenden Bewusstseins nicht abreißt – es ist aber nicht unser gewohntes, selbst-zentriertes Subjekt, das diese Erfahrung macht. Vielmehr tauchen, und hier liegt das Überraschende, auch wir als Subjekt, das wir gewohntermaßen sind, in der Reihe der Phänomene innerhalb dieses gewahrenden Bewusstseins auf. Wilber spricht hier vom ““Zeugen“ und vom „Zeugenbewusstsein“, das allerdings keineswegs mit dem reflektierenden, ich-bezogenen Zustand identisch ist, bei dem wir als Subjekt Objekten gegenüberstehen.

Wo liegt nun der Zusammenhang mit dem Denken? Auch das Denken kann durch die Wendung auf sich selbst Ausgangspunkt eines solchen Zeugen-Bewusstseins werden. Steiner spricht in seinen erkenntnistheoretisch-spirituellen Werken allerdings nicht von einem „“Zeugen“, sondern von einem universellen oder ““All-Ich“. Es wird dann bewusst, wenn wir im Denken die Getragenheit von einem umfassenden Weltzusammenhang bemerken, der alle Individuen übergreift und dessen Glied die Individuen sind. In diesem Bewusstseinszustand bemerken wir auch, dass der duale Zustand der Trennung von Subjekt und Objekt im Erfahren des Denkens aufgehoben ist: Wir denken nicht, weil wir Subjekte sind, sondern wir bezeichnen uns als Subjekte, weil wir zu denken vermögen, sagt Steiner in der “Philosophie der Freiheit. Es ist dann nicht mehr entscheidend, dass es das Subjekt ist, das denkt, sondern dass ich mich durch das Denken erst als Teil der Subjekt-Objekt-Konstellation erkenne. Diese Tatsache kann nur aus einer dem gewöhnlichen Subjekt übergeordneten Perspektive gemacht werden – der Perspektive des „Zeugen“, hier verstanden nicht als Subjekt-Ich, sondern als „All-Ich“. Denken im Sinne dieses Zeugen-Bewusstseins kann so bereits selbst Ausdruck spiritueller Erfahrung werden: „„Das gemeinsame Urwesen, das alle Menschen durchdringt, ergreift somit der Mensch in seinem Denken”“, sagt Steiner. ““Das mit dem Gedankeninhalt erfüllte Leben in der Wirklichkeit ist zugleich das Leben in Gott.“

Denken und Sein

Ein weiterer wichtiger Komplex, der sich hier anschließt, ist das Verhältnis von Denken und Wirklichkeit. Die meisten modernen erkenntnistheoretischen Ansätze wie auch postmoderne spirituelle Konzepte laufen eher darauf hinaus, dass im Denken lediglich ein subjektives Abbild, ein “Konzept” der Welt, vorliegt. Diese Zuschreibung des Denkens als nur „subjektiv“ oder auch als konstitutionelle Befangenheit des Menschen ist zwar durch die obigen Ausführungen nicht haltbar. Von der Selbstvergewisserung über die sich selbst tragende, übersubjektive Natur des Denkens muss aber ein weiterer wichtiger Schritt zu der Frage gehen, ob und inwiefern wir mit dem Denken die Wirklichkeit, das Sein der Dinge erreichen. Die dazu erforderlichen, weiter ausgreifenden erkenntnistheoretischen Erörterung können im Rahmen dieser Skizze nicht verfolgt werden. Hier muss der Hinweis genügen, dass Denker wie Steiner oder Heidegger – von Hegel gar nicht zu reden – in ihren Werken zu dem Ergebnis kamen, dass entgegen verbreiteter Ansichten durch denkendes Erkennen sehr wohl ein Zugang zum Sein möglich ist. So sieht Steiner das Denken, mit dessen Hilfe wir die Welt erkennen, als Innen-Offenbarung der Dinge im Bewusstsein des Menschen. Als Begriff erscheint im Menschen, was wirkende Idee im Sein ist: ““Im Innern leuchtet ein Licht, das seine Leuchtkraft nicht nur auf dieses Innere beschränkt. Es ist eine Sonne, die zugleich alle Wirklichkeit beleuchtet… unser eigenes beschränktes Individuum stellt sich geistig in den großen Weltzusammenhang hinein, weil in ihm etwas auflebt, was übergreifend ist über dieses Individuum, was alles mitumfasst, dessen Glied dieses Individuum ist.”“ (Steiner, Die Mystik …)

Denken und Geist in der deutschsprachigen Philosophie

Ein letzter, hier nur angedeuteter Aspekt: Es ist auffällig, dass gerade in der deutschsprachigen Philosophie die besondere Nähe von (über-subjektivem) Denken und Spiritualität so sehr betont worden ist. Hier liegt eine Chance, bestehende Keime eines spezifischen Kulturraums für eine heute entstehende Welt-Spiritualität einzubringen.

Dieser Text erschien als Vorbereitungs-Text der Herbstakademie 2012.