Archiv für den Monat: November 2013

Otto Scharmer legt weltweit Keime für eine neue Gesellschaft

Wer die Gesellschaft verändern will, muss ihren Kern erreichen und verwandeln: die Wirtschaft. Der Aktionsforscher Otto Scharmer hat mit vielen Menschen in Unter- nehmen, Regierungen, Verbänden und Organisationen Prozesse erprobt, mit denen die Zukunft in die Gegenwart geholt werden kann. Scharmers Aktionen für das Hervorrufen des Neuen stehen dabei immer in einem großen Kontext: Seine Vision ist eine Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf der Basis einer neuen Achtsamkeit.

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November

November

Wie dankbar man für die Sonne im November wird. Letztes Herbstlaub an Ästen, die nie so schwarz waren wie jetzt gegen den Milchhimmel. Wie lauscht man auf eine einzige verspätete Amsel im Morgennebel.

Einige Baustellen blieben bereits zurück. Beziehungen, Freundschaften zerbrachen oder gingen einfach irgendwann auseinander. Früher hatten jugendlicher Optimismus oder eine reichlich vorhandene Naivität Misserfolge stets nur als vorläufige Rückschläge eingestuft, über die sich hinweggehen ließ. Inzwischen war die Lebensmitte überschritten und erste körperliche Anzeichen hatten einen Horizont aufscheinen lassen, der irgendwann einmal nicht mehr Horizont wäre, sondern etwas, an dem man sich wirklich stößt. Das deutliche Gespür dafür, dass es tatsächlich einmal ein Ende geben wird. Manche Fehler, soviel war bereits klar, würden sich nicht wiedergutmachen lassen, manche Brüche würden Brüche bleiben und einige Hoffnungen würden sich nicht mehr erfüllen.

Wie wohl ein Leben aussieht das nur noch aus Rückblick besteht. Das Zurückschauen der Alten ist gar kein intellektueller Akt. Es hat mehr Ähnlichkeit mit dem Verdauen. Ein Leben wird wiedergekäut, innere Endlosschleifen vor dem Blick, wo der ganze Leib in seinen feineren Schichten in Resonanz gerät. Versunken in diesen tieferen Körpersedimenten hatte meine Großmutter, die weit über 90 wurde,  ganze Nachmittage im Schaukelstuhl zugebracht, befasst mit einem inneren Anschauen, dessen Dichte für sie Nahrung gewesen sein musste, einem Innesein, innerhalb dessen man sich umsehen und herumschreiten konnte wie in der wirklichen Welt, vielleicht sogar besser, dessen Windungen man kannte und von dessen Fülle man dennoch immer wieder wie beseelt war, selbst wenn für sie die Inhalte oft trauriger Natur gewesen sein mochten, aber vielleicht doch nicht nur.

Soweit war es aber noch nicht. Jetzt ging es noch um ein Entscheiden, es gab Spielräume. Unterdrückung oder Befreiung; Hass oder Liebe; Angst oder Mut – Wahlmöglichkeiten: Nicht allein das ein oder andere So oder So, sondern das Entscheiden selbst. Entscheiden, was sein wird.   

Menschheits-Repräsentanten

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Der individuelle Mensch ist mehr als ein Exemplar der Menschheit, er ist auch nicht nur die einzigartige Form, in der sich „das Eine“ manifestiert – denn dann wäre in diesem „Einen“ schon immer alles enthalten, eine Evolution wäre sinnlos und es wäre nichts wirklich Neues mehr möglich.

Menschheit als ein vorgegebenes Ganzes existiert nicht. Das ist das Besondere an uns Menschen, dass wir uns, anders als die mit uns verwandten Tiere, nicht mit einer fertigen Wesensdefinition von der Evolution ausgestattet vorfinden. Kein Pferd, kein Löwe, kein Adler muss sich darum kümmern, Inhalt und Ziel seiner Existenz zu bestimmen. Seine genetische Ausstattung, sein Körperbau, sein instinktives Verhalten und die dazugehörige Umwelt sind das, was ihn sein Wesen leben lässt. Demgegenüber sind wir Menschen grundsätzlich unfertig und unbestimmt. Beim “Phänomen des Menschen” (Teilhard de Chardin) existiert, anders als bei den reinen Naturwesen, kein Allgemeines, aus dem heraus sich unser Wesen bestimmen würde: Der Mensch als ein Vernunftwesen, als intelligentes Tier und ähnliche Definitionen – sie sind so abstrakt, dass mit ihnen noch nichts wirklich Menschliches beschrieben ist. Was ich an einem Tier beschreiben kann an Verhalten, an äußerer Gestalt – das ist im Wesentlichen für alle Exemplare einer Gattung gleich. Bei uns Menschen dagegen bildet das allgemein Beschreibbare wie die biologischen Besonderheiten oder instinktive Verhaltensmuster oder auch typologische Gemeinsamkeiten noch nicht das eigentlich Menschliche. Es ist eben genau umgekehrt: was wirklich menschlich ist am Menschen, das lässt sich nur am Verhalten einzelner Menschen ablesen; der einzelne, individuelle Mensch steht zur Gattung nicht in einem Verhältnis des Exemplars, sondern umgekehrt, der Einzelne ist berufen zum Repräsentanten dessen, was die Menschheit als Ganze zu sein vermag.

Steiner selbst hat es einfach und radikal in seinem Buch “Theosophie” formuliert: „Jeder einzelne Mensch entspricht dem, was in der Natur eine Gattung ist.“